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Call für die nächste Ausgabe (Nr. 96)

Die kommende Ausgabe der Feministischen Geo-RundMail (Nr. 96) wird sich „Geographien Reproduktiver Un/Gerechtigkeiten“ widmen (English version below).

Die intime Entscheidung für oder gegen ein Kind wird tagtäglich getroffen. In Deutschland steht de jure allen Menschen zu, diese Entscheidung selbstbestimmt fällen zu können. Jedoch ist diese de facto besonders für marginalisierte Personen mit bestimmten Barrieren, wie einem prekären Aufenthaltsstatus, transfeindlicher gynäkologischer Versorgung, bürokratischen Hürden für Eltern mit Assistenzbedarf oder mangelhaften Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch im ländlichen Raum verbunden. Auch ist es für queere Paare, die für ihren Kinderwunsch auf assistierende Technologien wie Eizellenspenden oder Leihmutterschaft angewiesen sind, unmöglich im Kontext deutscher Ethikrechte schwanger zu werden. Anders ist die rechtliche Situation beispielsweise in Spanien, Mexiko oder der Ukraine, die zu beliebten Destinationen für reproduktive Mobilität geworden sind. Auf diese und noch viele weitere Ungleichheiten in Bezug auf Verhütung, Schwangerschaft, Kindergebären und Elternschaft macht die von Schwarzen US-Amerikanerinnen entstandene Forderung nach Reproductive Justice (Reproduktive Gerechtigkeit) aufmerksam (Ross 2021). Weltweit bündeln darunter unterschiedliche aktivistische Gruppen von Frauen* of Color, indigenen Communities, Frauen* mit Behinderungen und queeren Menschen ihre Kämpfe für reproduktive Selbstbestimmung. Zentral ist dabei die Beobachtung, dass nicht alle Menschen gleichermaßen selbstbestimmt ihre Familienplanung und Elternschaft gestalten können. Vielmehr sind reproduktive Entscheidungen eng mit Fragen des Zugangs (zu Arzneimitteln, Versorgungsreinrichtungen, Wissensstrukturen), der gesellschaftlichen Teilhabe, nationalen Bevölkerungspolitiken, den Auswirkungen der Klimakrise oder aber geopolitischen Ereignissen wie dem Einmarsch Russlands in die Ukraine verbunden.

Inwiefern die Forderung nach Reproduktiver Gerechtigkeit über den aktivistischen Anspruch hinaus ein zentrales Konzept für feministisch-geographische Analysen solcher Ungleichheiten sein kann, zeigen bereits Arbeiten aus dem Feld der feministischen Geographien wie die Reproductive Geographies oder die intimate geopolitics. Diese nehmen aus einer intersektionalen Perspektive die „stratifizierten, also hierarchisch angeordnete Politiken des Kinderbekommens und mit Kindern Lebens“ (Schultz, 2021:97) als Ursachen vielfältiger reproduktiver Ungleichheiten in den Fokus und fragen nach möglichen Transformationen reproduktiver Verhältnisse. Wir sind für die kommende Ausgabe interessiert an Beiträgen in allen möglichen Formen (Text, Essay, Bilder, Comic, Rezensionen etc.) auf Deutsch oder Englisch, die folgende Aspekte beleuchten können, aber nicht müssen:

  •  Inwiefern tragen biopolitische, gesundheitspolitische oder geopolitische Logiken dazu bei, bestimmte Elternschaften und Formen des (familiären) Zusammenlebens gesellschaftlich zu befürworten während andere als illegitim oder sogar als gefährlich markiert werden?
  • Welche Rolle spielen places and spaces of reproductive activity (England/Fannin/Hazen 2019) wie Geburtshäuser, Kinderwunschkliniken, Stillberatungsstellen oder inklusive Kindertagesstätten in der Analyse reproduktiver Un/Gerechtigkeiten?
  • Inwiefern sind Forderungen nach mobility justice (Schurr 2018), environmental justice (Sasser 2019) oder multispecies justice (Haraway/Tsing 2019) mit der Idee von reproductive justice verwoben?
  • Wo finden sich Aushandlungsorte hin zu einer reproduktiv-gerechten Stadt? Welche emanzipatorischen reproduktiven Politiken und Beziehungsweisen gehen damit einher?
  • Wie kann eine Übersetzungsleistung des Konzeptes reproductive justice in z.B. einen deutschsprachigen Kontext gelingen (Kyere 2021)? Was geht dabei verloren?
  • Welche methodologischen Herausforderungen ergeben sich in der empirischen Forschung zu reproduktiven Un/Gerechtigkeiten?

Interessensbekundungen bitte bis 15.11.2023 und Abgabe der Beiträge bis 15.12.2023 bitte an Susanne Hübl (susanne.huebl@uni-muenster.de) und Carolin Schurr (carolin.schurr@unibe.ch) richten.

CfP Feministische GeoRundMail (No. 96): "Geographies of reproductive in/justices"

The intimate decision for or against having a child is a mundane decision. In Germany, all people are de jure entitled to take this decision in a self-determined way. However, especially for marginalized people, this is de facto associated with certain barriers, such as a precarious residence status, transphobic gynecological care, bureaucratic hurdles for parents with needs for assistance due to their disability, or lack of abortion options in rural areas. The legal context also does not allow single men or gay couples to use third party assisted reproductive technologies such as egg donation or surrogacy to realize their Kinderwunsch. The legal situation is different in countries such as Spain, Mexico or Ukraine which have become popular destinations for reproductive mobility. These and many other inequalities regarding contraception, pregnancy, childbearing and parenthood are addressed by the Reproductive Justice movement, which was initiated by Black American women (Ross 2021). Around the world, diverse activist groups of women* of color, indigenous communities, women* with disabilities, and queer people frame their claims under the umbrella of reproductive justice. The reproductive justice movement departs from the observation that not all people can equally self-determine their family planning and parenthood. Rather, reproductive choices are closely linked to issues of access (to medicines, care facilities, knowledge structures), social participation, national population policies, the impact of the climate crisis, or geopolitical events such as Russia's military invasion of Ukraine.

The extent to which the demand for reproductive justice can be a central concept for feminist- geographical analyses of such inequalities beyond the activist claim is already shown by within the fields of Reproductive Geographies or Intimate Geopolitics. From an intersectional perspective, these focus on the "stratified, i.e. hierarchically ordered, politics of having children and living with children" (Schultz, 2021:97) as causes of multiple reproductive inequalities and ask for possible transformations of reproductive relations. For the upcoming issue, we are interested in contributions in all possible forms (text, essay, images, comic, reviews, etc.) in German or English that can, but do not have to, shed light on the following aspects:

  • To what extent do biopolitical, health-political or geopolitical logics contribute to the social endorsement of certain parenthoods and forms of (family) cohabitation while others are marked as illegitimate or even dangerous?
  • What role do places and spaces of reproductive activity (England/Fannin/Hazen 2019) such as birthing centers, fertility clinics, breastfeeding, counseling centers, or inclusive daycare centers play in the analysis of reproductive inequities/injustices?
  • To what extent are demands for mobility justice (Schurr 2018), environmental justice (Sasser 2019), or multispecies justice (Haraway/Tsing 2019) intertwined with the idea of reproductive justice?
  • Where can we find sites of negotiation towards a reproductive just city? What emancipatory reproductive politics and modes of relating are involved?
  • How can the concept of reproductive justice be translated into a German-speaking context (Kyere 2021)? What is lost in the process?
  • What methodological challenges arise in empirical research on reproductive injustice?

Please send expressions of interest by 15.11.2023 and submission of papers by 15.12.2023 to Susanne Hübl (susanne.huebl@uni-muenster.de) and Carolin Schurr (carolin.schurr@unibe.ch).


Die feministische Geo-RundMail erscheint vierteljährlich mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunktthemen und wird an die Abonnent_innen per Email versandt. Zum Schwerpunktthema werden u.a. aktuelle Analysen, Forschungsprojekte, Literatur, Aktivitäten an einzelnen Instituten oder Erfahrungen in der Lehre vorgestellt. Neben den Beiträgen zum Schwerpunkt werden Informationen zur feministischen Geographie und verwandten Gebieten feministischer Sozialforschung gebündelt (Tagungsankündigungen und -berichte, aktuelle Publikationen, Informationen zur Hochschulpolitik etc.). Die feministische Geo-RundMail wird von unterschiedlichen Herausgeber_innen mit Interesse an Feministischer Geographie und/oder Genderforschung in der Geographie gestaltet, die an verschiedenen Universitäten und Institutionen arbeiten. Das heißt, die Feministische Geo-RundMail lebt von der aktiven Mitarbeit aller Abonnent_innen und anderer interessierter Leser_innen.

Die feministische Geo-RundMail erscheint seit Oktober 2003 im Januar, April, Juli und Oktober. Hinweise auf Tagungen, Berichte und Diskussionsbeiträge sind jederzeit willkommen, genauso wie das Angebot eine Herausgabe zu gestalten. Die Sprecherinnen des AK Feministische Geographien koordinieren die Ausgaben (speaker@ak-feministische-geographien.org). Fragen zur Geschichte oder Zielrichtung der feministischen Geo-RundMail beantwortet Dr. Sarah Klosterkamp (s.klosterkamp@uni-bonn.de)

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